Das Swisspass-Gefasel vom Kundennutzen

Auf August 2015 plant der Verband öffentlicher Verkehr (und nicht die SBB!) in der Schweiz, die Einführung einer RFID-Karte (Biblionetz:w01588) für alle möglichen Abos des öffentlichen Verkehrs.

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Die entsprechende Medienmitteilung spricht vom zusätzlichen Kundennutzen:

Die öV-Karte heisst «SwissPass» und wird zusätzlichen Kundennutzen bieten

Die Branche des öffentlichen Verkehrs hat neben dem Branding auch den Namen für die öV-Karte beschlossen: «SwissPass». Diese mit einem Chip ausgerüstete Karte vereinfacht den Zugang zum öffentlichen Verkehr der Schweiz weiter. Auf dem Chip integriert werden ab Mitte 2015 General- und Halbtax- sowie schrittweise auch Verbund-Abonnemente. Die Grundidee: Eine einzige Karte für möglichst viele Mobilitäts­dienstleistungen. Bereits auf die Einführung im zweiten Halbjahr 2015 wird der «SwissPass» auch für den Zugang zu PubliBike, SchweizMobil und verschiedenen Skigebieten benützt werden können. Beabsichtigt ist zudem die Integration von Mobility Carsharing.

Die öV-Karte kommt ganz in Rot daher, heisst «SwissPass» und bietet ab ihrer Einführung in der zweiten Hälfte 2015 eine ganze Reihe zusätzlicher Nutzungsmöglichkeiten für die Kundinnen und Kunden. Der SwissPass ist ein erster Schritt Richtung E-Ticketing. Mit ihm erreicht der öffentliche Verkehr bereits bei der Einführung der Karte mindestens drei Millionen Kundinnen und Kunden. An Einsatz und Nutzung der heutigen Abonnemente ändert sich nichts.

Der «SwissPass» ist eine Karte mit einem Chip und setzt auf die bewährte RFID-Technik, die in der Schweiz beispielsweise in Skigebieten bereits erfolgreich im Einsatz ist. Auf der Karte sind nur Name, Vorname und eine Kundennummer aufgedruckt. Auf dem «SwissPass» wird lediglich eine unpersönliche Identifikationsnummer gespeichert. Die öV-Abonnemente und Dienst­leistungen von Partnern sind auf dem Lesegerät des Kontrollpersonals ersichtlich, sobald eine Kundin oder ein Kunde den Chip an das Gerät hält. Die Anforderungen des schweizerischen Datenschutzes sind erfüllt.

Der «SwissPass» schafft eine Plattform, auf der schrittweise Fahrausweise und ergänzende Angebote im Bereich Mobilität integriert werden können. Der bei der Lancierung vorgestellte Plan, den Kundinnen und Kunden mit der öV-Karte zusätzliche Angebote zur Verfügung zu stellen, die auf Reisen mit dem öV nützlich sind, ist auf gutem Weg: Jetzt schon steht fest, dass der «SwissPass» auch für Angebote von PubliBike und SchweizMobil benützt werden kann, beabsichtigt ist zudem die Integration von Mobility Carsharing. Auch die Skitickets verschiedener Schweizer Skidestinationen werden die Kundinnen und Kunden auf den «SwissPass» laden können. Ziel ist es, den Fahrgästen den Zugang zu Mobilitäts- und Freizeit-Angeboten weiter zu vereinfachen und sukzessive weitere Partnerangebote auf den SwissPass zu integrieren.

Mir ist bis heute unklar, worin mein zusätzlicher Kundennutzen denn bestehen soll, im Gegenteil. Ich sehe drei Aspekte, bei denen ich eher einen Nachteil haben werde im Vergleich zur jetzigen Situation:

  • Usability: Als regelmässiger Bahnfahrer habe ich mein GA extra so im Portemonnaie, dass ich dieses nur auffalten und dem Kontrolleur zeigen kann, die Karte aber nicht herausklauben muss. Das wird mit dem Swiss Pass nicht mehr möglich sein. Ich werde die Karte herausnehmen und dem Kontrolleur hinstrecken müssen, damit er den RFID-Chip auslesen kann. Auch das Ablaufdatum meines Abos werde ich künftig nicht mehr ohne technische Hilfsmittel ablesen können, denn es wird nicht mehr auf die Karte aufgedruckt sein.
  • Automatische Verlängerung: Aus mir unerfindlichen Gründen verknüpft der VÖV die Einführung des SwissPass mit der automatischen Verlängerung von Abos und verkauft das als kundenfreundlich. Obwohl ich das GA meist nahtlos verlängere, hinterlässt dieser Schritt ein ungutes Gefühl, ist für mich aber nicht der Hauptgrund, mich über den SwissPass zu ärgern.
  • Datenschutz: Es klingt ja gut, wenn in der Medienmitteilung steht, dass die Anforderungen des schweizerischen Datenschutzes (Biblionetz:w00714) erfüllt seien. Spätestens seit Snowden wissen wir jedoch, dass diese Garantie oft den Bildschirm nicht wert sind, auf dem sie angezeigt werden. Es besteht die Gefahr, dass mein Mobilitätsverhalten aufgezeichnet wird. Dies widerspricht dem Prinzip der Datensparsamkeit (Biblionetz:w01211). Ich habe ein GA und kann damit beliebig oft öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Zur Abrechnung ist somit das Aufzeichnen meines Fahrverhaltens nicht notwendig. (Das Gegenargument, dass mein Mobiltelefon noch viel genauere Bewegungsprofile ermögliche, sticht nicht wirklich: Das Mobiltelefon kann ich auch abschalten oder zu Hause lassen und trotzdem ÖVs nutzen, die Swisscard nicht. Und nur weil an einem Ort Bewegungsdaten anfallen, ist das noch kein Grund, dies grundlos auch andernorts zu tun).

Neben diesen problematischen Aspekten habe ich noch keinen einzigen Kundennutzen für mich gefunden. Das Argument, ich hätte dann weniger Plastikkarten im Portemonnaie, rechtfertigt den Aufwand keineswegs. Zudem gibt es durchaus Situationen, wo ich eigentlich die verschiedenen Mobilitätskarten gerne getrennt habe: Wenn ich Skifahre, muss ich mein GA nicht dabei haben (es erhöht die Gefahr, dass ich es in der Skijacke vergesse) und wenn ich mit dem Mobility-Auto im Ausland unterwegs bin, brauche ich weder den Skipass noch das GA.

Klar, das sind keine weltbewegenden Probleme. Aber gerade als Befürworter von digitalen Innovationen ist es mir wichtig darauf hinzuweisen, dass nicht alles Digitale nur deshalb befürwortet werden sollte, nur weil es digital und neu ist.


 
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Kategorien: IsaBlog

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