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Digital Naives

Am 8./9. November 2007 hat in Münchenwiler die bereits traditionelle SATW-Retraite zu ICT und Bildung stattgefunden, diesmal zum Thema Grundausbildung in ICT der Lehrpersonen: Welche Kompetenzen in ICT sind an Pädagogischen Hochschulen zu fördern?

  • Wie muss die Lernumgebung organisiert werden?
  • Welche Anforderungen werden an die kollaborative Arbeit gestellt?
  • Wie wird der Transfer in die täglich Arbeit an den Schulen sichergestellt?
  • Wie wird ICT an den PHs als Lernfeld umgesetzt?

Ich war als Referent eingeladen, zur Frage Welche Kompetenzen sind Voraussetzun für ict-gestütztes kollaboratives Arbeiten? Stellung zu nehmen und habe dies mit dem Referat Mit digital natives kollaborativ arbeiten auch pointiert getan:

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Ich kam mir sehr alt vor, als ich aufgrund der Lehrerfahrungen an verschiedenen Schweizer PHs in den letzten Jahren im Referat die These Die heutige Studierendengeneration besteht aus digital natives und beherrscht digitale Medien im Schlaf, es ist also nur eine Generationenfrage, bis ICT alltäglich und verstanden ist. als Illusion darstellte und den ICT-Wissensstand der heutigen PH-Studierenden bemängelte. Bin ich jetzt bereits so alt, dass ich auch anfange mit "Die heutigen Jugendlichen können nicht mal..."

Es ist aber tatsächlich eine aktuelle Lernerfahrung von mir, dass die zunehmende Alltäglichkeit von ICT nicht zur Folge hat, dass ICT auch entsprechend verstanden wird. ICT ist zwar alltäglich geworden, aber unverstanden geblieben. Was mich dabei am meisten überrascht und erschreckt: Dieses Unverständnis stört die Studierenden nicht, ICT ist ihnen egal.

In den letzten Wochen habe ich lange darüber nachgedacht, wie ich dieses Unverständnis und Desinteresse begrifflich auf den Punkt bringen könnte, zuerst als Titel für einen Weblog-Eintrag, dann für das Referat an der SATW-Tagung. Beim Erstellen der Folien dann plötzlich die Erleuchtung: Unsere Studierenden sind zum Teil nicht digital natives, sondern digital naives! (Biblionetz:w02038)

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In der Diskussion hat Jan Hodel bemerkt, dass vielleicht die mit digital native (Biblionetz:w01839) assoziierte Kompetenz eben ein Fehlschluss sei und es vielleicht gerade zur nativeness gehöre, dass man die als gegeben wahrgenommenen Dinge nicht hinterfragt:

Es scheint mir geradezu eine idealtypische Eigenschaft von “Natives” zu sein, von den sie alltäglich umgebenden Dingen naive Vorstellungen zu haben. Die wenigsten Einheimischen wissen vom Rathaus der eigenen Gemeinde, wann es von wem gebaut wurde. Sie können nicht erklären, wie das Proporzwahlrecht funktioniert und geben doch erfolgreich ihre Stimme ab (wenn überhaupt). Sie wissen nicht, was ein Bar genau ist, und können doch den Reifen ihres Mountain-Bikes aufpumpen, ohne ihn zum Platzen zu bringen.
(Quelle)

Dem stimme ich zu, doch der Begriff der digital natives scheint mir in der Diskussion so mit ICT-Kompetenz verknüpft zu sein, dass es einen neuen Begriff (eben den der digital naives) braucht, um diesen Fehlschluss von Alltäglichkeit auf Kompetenz (Biblionetz:a00905) aufzubrechen:

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Die Frage, wie die Studierenden zu den benötigten ICT-Kompetenzen kommen, scheint mir auch in Münchenwiler nicht beantwortet worden zu sein. Einmal mehr habe ich aber die Gefahr der Reduktion auf die die technische Ebene erlebt: In der Ausbildung wäre mein Auftrag eigentlich, Medienbildung zu betreiben und alle Ebenen der Medienkompetenz zu berücksichtigen. Aufgrund der fehlenden technischen Kompetnez der Studierenden bin ich dann versucht oder gar gezwungen, der technischen Ebene mehr Raum zu geben, was in der Folge die anderen Ebenen verkürzt. Fordere ich in nun in Diskussionen mehr Vermittlung von technischer Medienkompetenz, besteht die Gefahr, dass meine Position auf die technische Medienkompetenz verkürzt wird ("Typisch Ingenieur, sieht wieder mal nur die technische Ebene!")

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P.S.: Gestern habe ich voller Stolz meine Wortneuschöpfung "digital naives" gegoogelt und musste dann ernüchtert feststellen, dass bereits viele andere die gleiche Idee hatten…

Viel Zeit für's Geniessen der schönen Ambiance hatte ich dieses Jahr leider nicht...
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Kommentare:

  • Ich hoffe ich darf meinen Kommentar direkt hier rein schreiben (ich armer Digital Naive weiß nicht wohin damit):
Diese Unterscheidung Digital Native ./. Digital Immigrant gehört in jedem Fall um die Digital Naives ergänzt. Eingeborene kennen auch Schleichwege und wissen vieles was nicht im Reiseführer steht. Die Naives nutzen unreflektiert die verfügbaren Angebote. Es entstehen sozusagen zwei Arten von Eingeborenen: die Natives und die Naives. Naives sind sie auf Grund der Umgebung in die sie geboren werden (=ICT zahlreich verfügbar) den Native Status müssen sie sich aber erst erarbeiten. Wer in den Bergen geboren wird ist nicht automatisch ein guter Kletterer/Bergsteiger. -- RalfAppelt - 12 Nov 2007
    • BeatDoebeli: Ja klar darfst Du hier reinschreiben. Ich bin mir der Beschränkungen der Blogbastelei in meinem Wiki schon bewusst wink
*Im Prinzip stimme ich überein mit Euch beiden, dass viele, die in die Kategorie Digital Native gesteckt werden eher Digital Naives sind. Man darf aber in dieser Diskussion nicht vergessen, dass eben dieses genau unsere Aufgabe an Schulen und Hochschulen ist, dem Unverständnis vorzubeugen und einen kritischen und kompetenten Umgang mit dem Medium zu befördern. Dass sich die Kommunikationsformen und die Interaktionsformen ändern, heißt ja nicht, dass alle die Studierenden auch ein tiefergehendes Verständnis der dahinterstehenden Techniken haben. Die Schulen sind sehr häufig jedoch immer noch Stätten, die den althergebrachten Traditionen verhaftet sind. Auch Schreiben und Lesen bzw. der Umgang mit und das Verständnis von Texten z.B. sind auch Dinge, die erst erlernt werden müssen. Wenn also von Anfang an in den Schulen ICT als selbstverständliches Arbeitsinstrument eingebaut wird, so wie bisher Stift und Papier, so könnte genau diese fehlende technische Kompetenz frühzeitig aufgebaut werden. -- ChristinaFerner - 21 Nov 2007
    • BeatDoebeli: Ja, absolut einverstanden. - 30 Nov 2007


 
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