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Kognition
Definition aus Vorlesungen von Prof. Dr. Ulrich an der Universität Tübingen:
Was ist Kognition?
Kognition ist wie Menschen denken oder wie Menschen die Welt
sehen (aus dem lateinischen "auf Erkenntnis bezogen"; cognoscere = erkennen)
Kognition ist der Sammelbegriff für höhere geistige Tätigkeiten.
Was ist Kognitionspsychologie?: Kognitionspsychologie ist wie Forscher denken, wie Menschen denken.
Gegenstandsbereiche der Kognitionspsychologie
Aufmerksamkeit, Vorstellung, Wahrnehmung und Handeln (Psychomotorik), Gedächtnis, Denken (besteht aus Schlussfolgern, Problemlösen, Entscheiden), Sprache.
Fragestellungen zur Einkreisung des Themas
Wie gelingt es uns Gesichter, die wir nur von vorne kennen auch zu erkennen, wenn wir sie von der Seite sehen? (Der PC versagt beim Versuch so etwas zu leisten kläglich.)
Warum können wir nicht mehrere Dinge gleichzeitig tun oder wahrnehmen?
Was ist das Unbewusste? (Wenn es bewusstes gibt, muss es auch unbewusstes geben – aber was ist das?)
Denken Menschen logisch?
Warum haben Menschen vor dem Fliegen mehr Angst als vor dem Autofahren, obwohl die Wahrscheinlichkeit eines Unfalles beim Autofahren viel, viel größer ist?
Ursprünge der Kognitionspsychologie: Strömungen der Erkenntnisphilosophie
Rationalismus: Rationalisten glauben, dass die Vernunft einzige Quelle des Wissens ist / sein darf. Platon (427-347 v. Chr.) war ein absolut radikaler Rationalist. Er fragte sich: wie erkennen wir die Welt? Die Antwort darauf für Platon ist eine angeborene Idee des Menschen, die unabhängig von jeder Erfahrung existiert. Platon meint, dass diese Ideenwelt wirklicher ist als die erfahrbare Welt, die er Sinnenwelt nennt. Sicheres Wissen kann nur die Ideenwelt liefern, die Sinnenwelt ist unvollkommen. Daraus ergibt sich auch, dass etwas um so wirklicher ist, je besser es vorstellbar ist. Daraus entwickelt Platon auch einen Beweis für die Existenz Gottes. Da nämlich ein vollkommenes Wesen vorstellbar ist muss es auch existieren – dieses wird als Gott bezeichnet. Der Rationalismus wurde nicht nur von Platon gelehrt. Auch im Mittelalter existierte diese philosophische Bewegung. Hauptvertreter waren Decartes, Spinoza und Leibniz. Decartes (1556 – 1649) zweifelte in der radikalsten Form an allem erfahrbaren. In seinem berühmten Satz „cogito ergo sum“ („ich denke, also bin ich“) wird dies zum Ausdruck gebracht – selbst für seine Existenz sucht Decartes nämlich einen Beweis. Er trennt den Menschen in zwei Teile. Die denkende Substanz (Geist) wird von der biologischen Substanz (Körper) vollkommen getrennt betrachtet.
Empirismus: Der Empirismus ist eine Gegenbewegung zum Rationalismus und argumentiert, dass die Idee von Dingen rein auf der Erfahrung mit und von den Dingen basiert. Solange also keine Erfahrung gemacht wurde kann noch nichts existent sein. Der Erste, der diesen Gegensatz zum Rationalismus formulierte war Platons Schüler Aristoteles („Nichts ist im Bewusstsein, was vorher nicht in den Sinnen existierte.“). Hauptvertreter des englischen Empirismus waren Lock, Berkeley und Hume. Lock unterschiedet zwischen einfachen und zusammengesetzten Vorstellungen. Wir kommen nach Lock (1632 – 1704) nicht mit der Vorstellung z.B. eines Apfels auf die Welt (Tabula rasa). Wenn wir als Kind einen Apfel sehen, so bilden wir eine einfache Vorstellung über den Apfel aus. Durch Verknüpfung einzelner Sinneserfahrungen entsteht eine Idee von einem Apfel.
Kantismus: Immanuel Kant (1724 – 1804) war Professor für Philosophie in Königsberg. Er meinte, dass die Rationalisten und die Empiristen beide zum Teil recht mit ihren Behauptungen hätten, dass sie aber beide auch Fehler in ihrer Philosophie besitzen. Oft wird diese Meinung Kants als eine Bemühung der Synthese beider philosophischer Richtungen ausgedeutet. Nach Kant ist alles erfahrbar und muss alles durch Erfahrung erworben werden, bis auf die Vernunft selbst. Diese sei angeboren und bestimmt wie wir die Welt auffassen. Alles erfahrbare ordnet Kant in Phänomene von Raum und Zeit ein und meint, dass diese vor jeglicher Erfahrung existent sind. Damit wiederspricht er dem Primat der Idee von Platon.
Hegels Meinung zum Bewusstsein: Hegel (1770 – 1831), in Stuttgart geboren, studierte mit 18 Jahren Philosophie in Tübingen. Er war der Meinung, dass ein Gedanke unweigerlich einen anderen, dem vorigen Gedanken wiedersprechenden, Gedanken auslöst. Unser Bewusstsein führt demnach einen dialektischen Prozess von These, Antithese und Synthese durch. Wissen ist demnach nicht zeitlos.
Assoziationspsychologie (Anfang bis Ende des 19. Jh.): Herbart postulierte die Assoziationspsychologie als erster Anfangs des 19. Jahrhunderts. Als Ausgangspunkt wird die Wirkung Aristoteles und Lockes betrachtet. Die Assoziationspsychologie beschäftigt sich mit der Verknüpfung von Gedächtnisinhalten. Die Suche nach den Regeln dieser Verknüpfungen war Gegenstand der Assoziationspsychologen wie z.B. Ebbinghaus (1850 – 1909 Hauptwerk: „Das Gedächtnis“), Herbart (1776 – 1841) und Thorndike (1874 – 1949).
Strukturalismus: Wilhelm Wundt (1832 – 1920), der das erste Psychologische Institut der Welt in Leipzig 1879 gründete vertrat den Struktuarlismus, der vorwiegend in Deutschland Mitte des 19. bis Anfang des 20. Jahrhunderts wirkte. In Wundts Hauptwerk „Grundzüge der Philosophischen Psychologie“ (1893) vertritt er die Meinung, dass der menschliche Geist aus der Konfiguration von verknüpften Elementen besteht (Strukturalismus). Diese Überlegung ist stark von der Chemie und dem zu dieser Zeit entdeckten Periodensystem der Elemente inspiriert. Die Frage, die Wundt beschäftigte war: Wie ist diese Struktur beschaffen, was sind die Elemente? Mit Hilfe der Introspektionsmethode wollte man die Elemente dieser Struktur ergründen. Die Introspektionsmethode postuliert das Untersuchen an sich selbst. Wund veröffentlichte riesige Mengen an Literatur. Allerdings war er ehr von Quantitätsehrgeiz als von Qualitätsehrgeiz getrieben.
Funktionalismus: Der Funktionalismus war eine besonders in den USA sehr starke Gegenbewegung zum Strukturalismus Mitte des 19. Jh. Bis Anfang des 20. Jh.. Gründer und Hauptvertreter ist William James (1842 – 1910). Sein Interesse galt der Frage: „Was machen Menschen und warum machen sie es?“ dahingegen war die zentrale Frage der Strukturalisten: „Wie ist die Struktur des menschlichen Geistes beschaffen?“ James Hauptwerk ist „principles of psychology“ (1890), das auch Ergebnis von reiner Introspektion (keine Untersuchung sondern Selbstbeobachtung) ist. Damit gilt James als der einflussreichste Psychologe des 19. Jahrhunderts – zumindest in Amerika. James war mit Wundts Theorien nicht einverstanden und bemängelte seine Inkonsistenz (Zitat James: „Wenn Wundt ein Wurm wäre und man ihn in Stücke zerschneiden würde, so würde jedes Stück in eine andere Richtung laufen.“).
Behaviorismus: Der Behaviorismus wirkte Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts. Ausgangspunkt war der Wiener Kreis (regelmäßige Treffen von einigen in Wien ansässigen Physikern und Philosophen, die im Kaffeehaus gemeinsam Ideen entwickelten). Sie verfolgten dadurch angetrieben, dass es in der Physik plötzlich Dinge gab, die nicht mehr beobachtbar waren, die Ideen des Positivismus und kamen dadurch zum Ergebnis, dass die Psychologie sich als Wissenschaft nicht auf Spekulationen über interne Prozesse einlassen dürfe. Die klassische Konditionierung wurde als Grundlage und Beispiel fundierter psychologischer Forschung betrachtet. Der „little Albert“ – Versuch ging als sehr umstrittener aber klassischer Versuch zur Konditionierung in die Geschichtsbücher ein. Der Säugling Albert wurde konditioniert Angst vor einer weißen Ratte zu haben, die zuvor sein Spielgefährte war, indem man das erscheinen der Ratte mit einem lauten Geräusch (Hammer auf Eisenstange) verband, das bei dem Kind Angst erzeugte. Im Allgemeinen wurde Forschung an Tieren primär als der Königsweg zur Erkenntnis in der Psychologie gesehen. Hauptvertreter sind Watson (1878 – 1958) und Skinner (1904 – 1990).
Gestaltpsychologie: Die Gestaltpsychologie Wirkte von ca. 1910 bis 1960 und war eine Gegenreaktion auf den Strukturalismus und den Behaviorismus. Während der Strukturalismus die Realität als die Summe der Einzelteile begriff argumentiert die Gestaltpsychologie, inspiriert durch die Elemente der Chemie (
H2O hat ganz andere Qualitäten wie seine Einzelteile H und O), dass das Ganze mehr ist als die Summe seiner Einzelteile. Gegenstand der Gestaltpsychologie war vor allem die Wahrnehmung, das Problemlösen & Denken. Als Hauptvertreter gilt Köhler (1887 – 1967), der seiner Forschung zum Problemlöseverhalten von Affen wegen bekannt ist.
Kognitive Wende: Die kognitive Wende kann als Reaktion auf den Behaviorismus gesehen werden, an dem sie heftige Kritik übt. Das Überprüfen von rein erfahrbarem, wie es der Behaviorismus postuliert, bringt die psychologische Forschung nicht viel weiter, da kein Einblick in die mentalen Vorgänge des Menschen ermöglicht wird. Außerdem führt die starke Fokussierung auf Erfahrbares dazu, dass Umwelteinflüsse überbewertet werden. Psychobiologische Grundlagen werden ignoriert. Die Idee künstliche Intelligenz zu schaffen führte außerdem dazu sich für die Kognitionen beim Menschen zu interessieren. Das erste Buch zur kognitiven Psychologie, erschienen 1967, hieß „Cognitive Psychology“ von Ulric Neisser.
Prof. Dr. Ulrich, 14.05.2003
Siehe auch