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MicheleLoetscher - 05 Feb 2003
Der kaukasische Kreidekreis
LEBENSLAUF VON BERTOLT BRECHT
- am 10.02.1898 in Augsburg geboren
- 1929 heiratete Brecht Helene Weigel
- 1917-1918 Studium der Philosophie und Medizin in München
- 1933-1939 Exil in der Schweiz, in Dänemark,Schweden, Finnland,Sowjetunion
- 1941 - 1949 Exil in Kalifornien
- 1949 Gründung des Berliner Ensembles (BE)
- 1951 Nationalpreis der DDR
- 1952 Einzug in die "Eiserne Villa" in Buckow, dem heutigen Museeum
- 1954 Lenin-Friedenspreis
- am 14.08.1956 in Berlin verstorben
Bertolt Brechts "Kaukasischer Kreidekreis", 1944/45 im amerikanischen Exil geschrieben, kam erst zehn Jahre nach seiner Entstehung auf eine deutsche Bühne.
GESCHICHTE
Ein Gouverneur wird gestürzt, sein Kind von der fliehenden Mutter
zurückgelassen. Eine Küchenmagd rettet es vor den Soldaten ins
Gebirge. Nach dem Sturz des neuen Herrschers kehrt die leibliche
Mutter zurück und klagt ihr Mutterrecht ein, es sichert ihr das
Erbe. Die Magd aber kämpft: "Es ist meins, ich hab's aufgezogen."
Der Oberrichter Azdak ordnet die Probe mit dem Kreidekreis an. Er
stellt das Kind in den Kreidekreis und läßt die beiden beteiligten
Frauen an den Armen des Kindes ziehen, mit der Auflage, wer das
Kind aus dem Kreidekreis zu sich ziehen kann, der soll die
rechtmäßige Mutter sein.Der Adzdak ist schlau genug zu wissen,
dass diejenige Frau die das Kind liebt, es niemals solange zu sich
zerren wird, bis dem Kind der Arm ausgerenkt ist oder es in Stücke
gerissen wird.
Die Magd lässt das Kind los, sie will es nicht zerreißen. So wird
es ihr zugesprochen.
HINTERGRUND
Die Fabel entstammt einem chinesischen Singspiel des 13.Jahrhunderts, verfasst von Li Hsing-tau. Brecht verlegte die Handlung in die Sowjetunion, in deren Gesellschaftsstruktur er die Voraussetzungen für eine Umfunktionierung der Fabel sah. Zu diesem Zweck schrieb er den einleitenden "Streit um das Tal", in dem Mitglieder zweier Kolchosen (Landwirtschaftsbetrieb) über den Besitz eines Tals diskutieren, das zuletzt denen zugesprochen wird, die es am besten zu nutzen versprechen. Sinn dieser Konstruktion ist, zwei sächlich ähnliche Rechtsfindungen einander gegenüberzustellen, um als praktische Lehre zu zeigen, wie in einer sozialistischen Gesellschaftsordnung Konflikte auf vernünftige Weise gelöst werden können - anders als in der Klassengesellschaft, wo sich die Idee sozialer Vernunft nur ausnahmsweise realisieren lässt.
INTERPRETATION
Das Kind kann man als Kaukasus, die leibliche Mutter als Russland und die Magd als die Völker vom Kaukasus ansehen. So könnte man den Konflikt beschreiben, wie die kaukasischen Völker um ihr Selbstbestimmungsrecht kämpfen, während Russland die Völker an sich binden will.