Helvetien erlebte nun eine Blütezeit, die bis etwa ans Ende des 2. Jh. n. Chr. dauerte. Die archäologischen Funde zeigen, dass der Lebensstandard der Menschen in dieser Zeit stetig angestiegen ist. Die Wirtschaft florierte und auf den Märkten wurden neben örtlichen Produkten auch Waren aus weit entfernten Gebieten der römischen Welt verkauft.
Nun hatten die Römer in Helvetien zwei Siedlungen oder Städte errichtet. Sie gaben sich damit aber noch lange nicht zufrieden; sie wollten noch mehr. Nach einiger Zeit nahmen sie auch das Wallis und das Tessin in Besitz. In einem grossangelegten Zangenangriff eroberten die Römer Rätien, das im Osten von Helvetien lag. Das Eine Heer brach von Süden her ins Rheintal ein, während das andere durch Helvetien an den Bodensee vorstiess. In der Nähe des Bodensees vereinigten sich die beiden Römerheere und schlugen die Rätier entscheidend. Damit setzte sich das Römische Reich auch in Rätien fest. So wurde also die ganze Schweiz zu einem Teil des mächtigen Römischen Reiches. Doch die Mission der Römer war noch nicht zu Ende. Da die wilden germanischen Stämme jenseits des Rheins immer wieder Streifzüge in das Gebiet der Römer unternahmen, liessen die Kaiser auf dem linken Rheinufer etwa fünfzig feste Plätze anlegen. Die Lager, die sie errichteten nannte man Kastelle, die zusammen einen Grenzwall namens Limes zwischen Germanien und dem Römischen Reich bildete und deren Soldaten Tag und Nacht bereitstanden, um die Germanen abzuwehren. Die Römer mussten auch dafür sorgen, dass sie an jede Stelle, wo die Germanen angriffen rasch neue Truppen zur Verstärkung schicken konnten. Deshalb gründeten sie in den Jahren 16/17 n. Chr. in Vindonissa ein Heerlager und verlegten eine ganze Legion dorthin, die aus 11000 Mann und 2000 Pferden bestanden. Vom Lager aus hatte man ringsum sehr gute und weite Sicht, damit sich kein Feind unbemerkt dem Lager nähern konnte.Die Römer hatten sich also in ganz Helvetien niedergelassen und waren Herrscher des Landes. Sie bauten nicht nur Siedlungen, sondern auch Kastelle und Militärlager, um das Land vor Feinden zu schützen.
In den folgenden Städten der Schweiz liessen sich die Römer nieder und bauten ihre Siedlungen. Sie bauten ihre Siedlungen nicht irgendwo, sondern meistens an sicheren und geschützten Orten.
Nun zur Tabelle. Die wichtigsten und bekanntesten Städte sind fettgedruckt:1 Nyon (Noviodunum) | 11 Oron (Uromagus) | 21 Solothurn (Salodurum) | 31 Zürich (Turicum) | 41 Annecy (Boutae) | ||||
2 Avenches (Aventicum) | 12 Yverdon (Eburodunum) | 22 Olten | 32 Oberwinterthur (Vitudurum) | 42 Pontarlier (Ariolica) | ||||
3 Augst (Augusta Raurica) | 13 Villneuve (Penelocus) | 23 Sursee | 33 Pfyn (Ad Fines) | 43 Mandeure (Epomandourum) | ||||
4 Besançon (Vesontio) | 14 Massongex (Tarnaiae) | 24 Lenzburg | 34 Eschenz (Tasgaetium) | 44 Friesen-Largitzen (Larga) | ||||
5 Como (Comum) | 15 Saint-Maurice (Acaunus) | 25 Baden (Aquae Helveticae) | 35 Arbon (Arbor Felix) | 45 Kembs (Cambete) | ||||
6 Aosta (Augusta Praetoria) | 16 Martigny (Forum Claudii) | 26 Windisch (Vindonissa) | 36 Maienfeld (Magia) | 46 Bregenz (Brigantium) | ||||
7 Genf (Genava) | 17 Sion | 27 Laufenburg | 37 Chur (Curia) | 47 Kempten (Cambodunum) | ||||
8 Lausanne-Vidy (Lousonna) | 18 Sierre | 28 Zurzach (Tenedo) | 38 Bellinzona (Bilitio) | 48 Chiavenna (Clavenna) | ||||
9 Vevey (Viviscus) | 19 Bern, Engehalbinsel | 29 Basel (Basilia) | 39 Muralto | 49 Samolaco (Summus Lacus) | ||||
10 Moudon (Minnodunum) | 20 Studen (Petinesca) | 30 Schleitheim (Juliomagus) | 40 Thonon | 50 Domodossola (Oscela) |
Via Appia | Strassenbau |
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Ab dem Ende des 2. Jh. n. Chr. kämpfte das Weltreich Rom zunehmend mit Schwierigkeiten. Innenpolitisch begannen unruhige Zeiten: Die Kaiser lösten sich in kurzer Folge ab und manchmal beanspruchten sogar mehrere gleichzeitig die Macht für sich. Auch wirtschaftlich und militärisch erlebte das Reich von da an tiefe Krisen. Im Jahre 233 n. Chr. wurde das Gebiet der heutigen Schweiz erstmals von einem Alamanneneinfall heimgesucht. Es war nicht das letzte Mal: Die Raub- und Plünderungszüge der nördlichen Nachbarn aus Germanien wiederholten sich in der Folge bis ins 4. Jh. n. Chr. hinein immer wieder.
Nach der langen Friedenszeit vernahm man in Helvetien, das nördlich des Limes ein neues germanisches Volk lebe: Die Alamannen. Sie entstanden aus vielen kleinen Stämmen und schlossen sich zu einem Bund auf Leben und Tod zusammen. Jahrelang hatten sie geübt, die Alamannen, um einen Durchbruch durch den Limes zu erreichen. Es wurde ihnen Wirklichkeit. Die Alamannen lehrten sich nicht selber, wie man erfolgreich Krieg führt, sondern kopierten die geschickten Taktiken der Römer. Daraufhin hatten Häuptlinge, Heerführer und Volk miteinander beraten und beschossen, auszuziehen - nicht nach Helvetien, sondern durch Helvetien nach Italien! Dort wollten sie alles einnehmen und grosse Beute machen. Mit grossen Plünderungszügen stiessen sie durch Helvetien bis nach Mailand vor, wo sie vom römischen Kaiser wieder zurückgedrängt wurden.
Für die Römer war diese Niederlage ein bedeutender Verlust. Durch diesen grossen taktischen Fehler besassen sie jetzt zwischen Rhein und Alpen keinen Flecken Erde mehr. Deshalb zogen sie ihre dortigen Truppen vollständig zurück. Doch eines Tages marschieren die Römer wieder in Vindonissa ein, um ihr Gebiet wieder zurückzugewinnen. Aber es war alles ganz anders als beim ersten Einzug. Sie befanden sich nicht mehr auf dem Vormarsch, sonder auf dem Rückzug. Helvetien war wieder gefährdetes Grenzland. Die Römer sahen ihre Aufgabe nun darin, die Städte neu aufzubauen und wieder für Ordnung zu sorgen.
Die Römer und Helvetier versuchten sich mit den wieder eingezogenen römischen Truppen gegen die verheerenden Plünderungszüge, bei denen die Alamannen immer wieder in Helvetien einfielen, zu schützen. Sie bauten also ihre zerstörten Städte wieder auf, aber ganz anders als früher.
Doch die Römer gaben nicht auf. Sie bauten immer wieder neue kleiner Städtchen und befestigten die alten Kastelle. Die neuen Kastelle waren viel kleiner als die einstigen Militärlager. So gelang es bedeutenden Kaisern wie etwa Kaiser Constantius, die Alamannen wieder in Süddeutschland zurückzuhalten. Für die Alamannen wurde es immer schwieriger die neuentwickelten Mauern und Türme zu durchbrechen.
Doch das Römische Reich kam immer mehr unter Druck und musste sich daher immer weiter zurückziehen. Auch in den Kaiserschichten gab es Probleme. Oft strebten gleich mehrere Männer nach der Kaiserkrone, was zu blutigen Kämpfen führte. Zudem waren die wieder gestärkten Germanenheere in den Osten des Reiches eingefallen. Sie zogen durch das Land und töteten Menschen und Vieh. Die Städte schlossen voller Angst ihre Tore und im Jahre 400 brachen die Germanen sogar in Oberitalien ein.
Viele Römer zogen das Wohlleben und Nichtstun dem harten Kriegsdienst vor. Daher entschied der damalige Kaiser Honorius, sein Vertrauen nur auf seine Legionäre zu beschränken. Er sah ein, dass wirksame Hilfe nur von den Legionären zu erwarten war. Deshalb schickte er schnelle Boten über die Berge. Sie überbrachten den römischen Truppen in Helvetien die Meldung: "Kehrt eilig zurück nach Italien, um wenigstens das Kernland unseres Reiches retten zu helfen!" Die Soldaten machten sich rasch zum Marsch aus Helvetien bereit. Auf den Strassen hörte man die Schritte der Legionen und das laute Rumpeln der Karren und Wagen. Nach 450 Jahren war der entgültige Rückzug der Römer aus Helvetien erfolgt. Mit den römischen Truppen kehrten auch römische Beamte, Kaufleute und Veterane samt ihren Sklaven nach Italien zurück.Jetzt, nach dem Abzug der römischen Soldaten, erwarteten die Helvetier, dass die Alamannen massenweise in ihr Land einbrechen werden. Doch dies geschah nicht, weil die Alamannen wussten, dass die Helvetier ihr Land immer noch verteidigen werden. Demnach fielen die Alamannen in Gallien ein, wo sie aus ihrer Sicht noch bessere Beute einnehmen konnten.
Nun haben sich die römischen Truppen mit Anhang aus Helvetien zurückgezogen und Helvetien steht nicht mehr unter Herrschaft des Römischen Reiches.1. Welches waren die anliegenden Länder zu Helvetien?
2. Weshalb konnten die Römer das Land der Helvetier ohne grössere Widerstände einnehmen? Welche Gruppen von Römern hatten diese Aufgabe? (Stichwort: Schlacht von Bibracte)3. Wie verhielt sich die Bevölkerung Helvetiens gegenüber dem römischen Lebensstil? Was geschah mit der zuvor keltischen Bevölkerung?
4. Wieso wurden die Römer zu ihrem Rückzug aus Helvetien gezwungen? Welche taktischen Fehler hatten sie gemacht?
Helvetien unter Herrschaft Roms |
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