Sören Kierkegaard: Leben und Werk

14 Jan 2005 - 00:27 | Version 2 |

Kierkegaard, Sören (1813-1855).

Während seines kurzen Lebens hat der theol. Kandidat und Magister der Philosophie K. das heimatliche Kopenhagen, wo er am 5.Mai 1813 geboren und am 11.November 1855 gestorben ist, kaum verlassen. Psychosomatisch leidend, belastet durch religiöse Schwermut des Vaters und den selbst herbeigeführten Bruch seiner Verlobung, geriet er mit seiner spannungsreichen, genialen Begabung zu rastloser Reflexions- und Phantasietätigkeit in eine gesellschaftliche Außenseiterstellung, ohne Amt aus abnehmendem Vermögen nur der Schriftstellerei lebend.

In unvergleichlichem Produktions-schub entstand in nur elf Jahren ein philosophisch-theol. Werk von ca. 6000 Druckseiten, das bis heute fasziniert. Durch Hamann und Lessing mit angeregt, wurde er zu einem eigenwilligen Denker des Christentums von Weltrang. K.s nachromantisches und antiidealistisches Denken hat mit seiner Betonung der konkreteinmaligen Existenz des „Einzelnen“ und ihrer Probleme erst im 20.Jh. eine weitreichende Wirkung auf Existenzphilosophie, moderne Dichtung und die sich nach dem I.Weltkrieg radikal neu formierende Theol. auszuüben begonnen.

Alle zu Selbstverständlichkeiten akademischer Theol. und gewohnheitsmäßigen Christentums nivellierten religiösen Hauptbegriffe werden von ihm in ihrem existentiellen Ernst wiederentdeckt und in leidenschaftlich-eindringlicher Sprache eingeschärft. Bei diesem Versuch, das Christentum in der Christenheit einzuüben, hat er in bohrender, z.T. skrupulöser Denkbewegung die subjektive Innerlichkeit als Ort und zugleich Kriterium der Wahrheit ("die Subjektivität ist die Wahrheit") bis an äußerste Grenzen ausgelotet und so ein reiches Bild der glaubenden Existenz von einer Tiefenschärfe ohnegleichen entworfen. Alle Mittel literarischer Bildung, beweglichster Dialektik, scharfsichtiger Tiefenpsychologie, subtiler Ästhetik und einer unerschöpflichen seelsorgerlichen Phantasie mit dichterischer Kraft einsetzend, thematisiert K. noch die feinsten Probleme einer subjektiven Aneignung des Christentums. Dabei sind ihm, persönlichem Durchleiden abgerungen, Einsichten über Phänomene human-religiöser Geistigkeit der Moderne, wie Angst, Verzweiflung, Schwermut, Langeweile, Schuldbewußtsein u.a., zugewachsen, die bis in die Gegenwart diskutiert werden. K. verhalf damit den vom zeitgenössischen Vernunftoptimismus verdrängten Tiefendimensionen und Schattenseiten menschlicher Existenz erneut zur Geltung.

Authentisches Selbstsein im Übernehmen eigener Gegebenheiten aus der Unbedingtheit des antinomisch durchlebten Gottesverhältnisses bzw. seiner paradoxen Verschärfung in der Person Christi und im christlichen Erlösungsglauben ist das unermüdlich variierte Anliegen von K.s erbaulichen und theoretischen Schriften. Am Ende seines Lebens wird es ihm -vom Christentum des Neuen Testaments her - zum Maßstab einer unerbittlichen Abrechnung mit dem bürgerlich verflachten Staatskirchentum seiner Umwelt. Dieser radikale letzte Kampf gegen die etablierte Kirche und ihre Repräsentanten besiegelte die aufrüttelnde Tendenz seines Werkes durch den persönlichen Einsatz.

Lit.: Gesammelte Werke, übers, u. hrsg. v. E.Hirsch (36 Abt.), Düsseldorf/Köln 1950-1966 (Nachdruck als GTB);Die Tagebücher, übers. H.Gerdes (5 Bde.), Düsseldorf/Köln 1962-1974. - E.Hirsch, K.Studien, 2 Bde., Gütersloh 1930/33; H.Gerdes, S.K., Berlin 1966; J. Ringleben, Aneignung, Berlin 1983. (Joachim Ringleben).

Quelle: http://wwwfb02.uni-muenster.de/fb02/dogmenge/kierkegaardlueckentext.htm

-- RegulaLeupi - 10 Dec 2002
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