Stier

14 Jan 2005 - 00:27 | Version 4 |

Die Darstellungen von Stieren, Urrindern und Bisons in den steinzeitlichen Höhlen stehen, wie Marie König folgert, in Zusammenhang mit der Mondsymbolik. Sehr viel später - etwa vor 5000 Jahren - wurde eine Vollmondscheibe zwischen den Hörnern dargestellt; noch die KeltInnen stellen dies auf ihren Münzen dar. Dies erklärt auch die Anomalie der steinzeitlichen Stier-Darstellungen.

Die Höhlenbilder zeigen nämlich Kopf und Körper der Tiere im Profil, das Gehörn hingegen von vorn.

Die Hörner symbolisieren die gegenläufigen Mondsicheln.

"Stier von Lascaux", eines der vier gigantischen weißen Wildrinder, die die Wandmalereien der zentralen Halle des "Eiszeitheiligtums" von Lascaux in der Dordogne beherrschen (Höhe ab Knie 3,10 m).

Als Mond ist der Stier der Geliebte seiner Mutter, der Inbegriff männlicher Zeugungskraft. Als Sichel war er das Mondkalb.

In Ägypten war auch die Sonne der Stier seiner Mutter, der König war der irdische "Stier" auf dem ägyptischen Thron. Einer der wichtigsten Kulttitel der ägyptischen Könige im Neuen Reich war "Horus, starker Stier" (entsprechend dem sakralen Titel "Kampfstier" bei den WaliserInnen). Im Alten Reich war der Stierschwanz Zeichen der königlichen Potenz.

Eine andere Deutung der nicht naturgetreuen Stierhörner fand als erste Dorothy Cameron. Sie wies auf die "auffallende Ähnlichkeit der inneren weiblichen Geschlechtsorgane mit einem Stierkopf" (Gimbutas 1995, 265) hin und vermutete, dass diese Ähnlichkeit auffiel, als vor Bestattungen Leichenöffnungen stattfanden.

Liegt der weibliche Körper waagrecht, weisen die Eileiter nach oben (normalerweise sind sie nach vorn und entweder auf- oder abwärts gebogen).

Einige der jungsteinzeitlichen Stierköpfe haben Rosetten oder Sterne an den Hörnern, was die Ähnlichkeit verstärkt.

"In den Wandmalereien von Catal Hüyük tritt die Symbolverbindung von Stier und Uterus deutlich zutage, vor allgemein bislang unveröffentlichten Darstellungen von weiblichen Gestalten, in die Stierköpfe und -hörner geschickt eingebettet sind" (Gimbutas 1995, 266). Auf vielen Gefäßen ist der Stierkopf im Bereich des weiblichen Unterleibs abgebildet.

Bei den patriarchal-indoeuropäischen Völkern symbolisierte der Stier Kraft und Männlichkeit, im matriarchalen Alten Europa hingegen repräsentierte er "keinen Gott, sondern er ist vor allem ein Symbol des Werdens" (Gimbutas 1995, 266).

Stiere nahmen einen besonderen Platz im Tempel von Jerusalem ein; auch El wurde als Stier dargestellt, Horus wurde in Form eines Goldenen Kalbes verehrt.

In iranischen Bauerndörfern aus dem 8. Jahrtausend v.u.Z. wurden Stierplastiken gefunden. In Catal Hüyük waren Stierdarstellungen häufig (u.a. zwischen den Schenkeln der Göttin), in Kreta gab es außer dem Minotaurus - dem der ägyptische Apis entspricht - das bekannte Stierspringen.

Quelle: http://matriarchat.net/kreta/tiere.html
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