Wenn der Lehrer ratlos ist
Informatikbeauftragte orten grosse Versäumnisse der Lehrer beim Einsatz von Computern
(von
http://www.sonntagszeitung.ch/dyn/news/multimedia/310718.html)
VON DANIELA PALUMBO
Elf Schüler sind um die drei Computer im Klassenzimmer gruppiert. Auf dem Bildschirm erscheint für einen Augenblick das Wort «Herbst». Zwei Mädchen und ein Knabe tippen das Wort ein. Weitere Wörter blinken auf der Mattscheibe auf. Die Kinder versuchen diese nachzuschreiben. Anschliessend drucken sie das Dokument aus.
So vorbildlich wie in dieser Primarschulklasse im Kanton Zürich kommt der Computer in den Schweizer Volksschulen selten zum Einsatz. Die wenigsten Lehrer bringen den Schülern das Schreiben mit Hilfe des Computers bei, indem sie die Kinder gleichzeitig mit der grauen Maschine vertraut machen. Zwei von drei Informatikverantwortlichen des Kantons Zürich haben festgestellt, dass die Primarlehrer den Computer im Unterricht ungenügend integrieren. Auch in der Oberstufe bemängelt jeder zweite den Computereinsatz der Oberstufenlehrer.
Diese schlechte Nachricht veröffentlichte die Bildungsdirektion des Kantons Zürich vor kurzem in ihrer Informatikerhebung 2002 (b01471). Vier von fünf Informatikverantwortlichen stufen zudem die Kenntnisse der Volksschullehrer als mangelhaft ein. Während die Schüler in der Pause ihren Freunden E-Mails verschicken, benutzen die Lehrer den Computer mehrheitlich als Schreibmaschine. «Viele Lehrer können weder CDs brennen noch Dokumente scannen und haben Mühe mit der Software», sagt Roland Heim, Informatikverantwortlicher einer Zürcher Volksschule.
«In Bezug auf Einsatz und Fertigkeit der Lehrpersonen stellen wir noch Defizite fest», sagt Peter Bucher, Leiter Schulinformatik der Bildungsdirektion Zürich. Die meisten Lehrer wissen nicht, wie sie den Computer im Schulzimmer - im Durchschnitt teilen sich 13 Volksschüler einen Computer - sinnvoll einsetzen sollen. Die Informatikweiterbildung für Primarschullehrer ist freiwillig und erfolgt meist in der Freizeit.
Streichkonzert des Bundes beim bereits versprochenen Budget
In der Schweiz wurden von 1999 bis 2001 insgesamt 118 Millionen Franken in die Informatik gesteckt. Davon ist nur wenig in die Ausbildung der Lehrer geflossen. Im Kanton Zürich etwa reservierten die Gemeinden dieses Jahr nur 4 Prozent des Informatikbudgets für diesen Zweck. Das sei eindeutig zu wenig, rügte die Bildungsdirektion in ihrem Bericht. «Weiterbildung ist dringend nötig. Eine gute Infrastruktur nützt wenig, wenn sie nicht professionell genutzt wird», sagt Beat W. Zemp, Zentralpräsident des Dachverbands Schweizer Lehrerinnen und Lehrer.
Um die Weiterbildung der Lehrer zu fördern, hatte der Bund im Rahmen der Initiative Schule im Netz ein Gemeinschaftsprojekt von Bund, Kantonen und Privatwirtschaft den für die Weiterbildung zuständigen Kantonen 100 Millionen Franken versprochen. In einer ersten Sparrunde wurden bereits 19 Millionen gestrichen. Der Ständerat will nun den Betrag von 81 Millionen um die Hälfte kürzen. Der Nationalrat wird nächste Woche darüber entscheiden.
«Man schwächt das Projekt Schule im Netz genau in dem Bereich, in dem Handlungsbedarf besteht», sagt der Zürcher Schulinformatik-Leiter Bucher. Mit dem Bundesgeld werden zwar bereits 29 Projekte unterstützt, weitere 20 beim Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) beantragten Projekte sind jetzt aber gefährdet. «Wir werden viele abweisen müssen», sagt Estelle Papaux, Projektverantwortliche beim BBT.
Dabei sind diese Weiterbildungsinitiativen ein bescheidener Anfang. Sie beheben lediglich den Mangel an Ausbildnern. Bevor Lehrer ausgebildet werden können, müssen Fachpersonen für die Lehrerweiterbildung geschult werden. Dreht der Bund nun den Geldhahn zu, wird sich die Integration von Computer und Internet im Schulunterricht um Jahre verzögern.
Weiterbildung für den sinnvollen Einsatz erst im nächsten Jahr
Einige Kantone und Gemeinden haben auf den Notstand reagiert. Der Kanton Luzern eröffnete im Juli ein Informatikkompetenzzentrum, das Technik und Pädagogik über alle Stufen hinweg verbinden soll. Die Stadt Zürich hat mindestens 300 Lehrern eine Basisausbildung ermöglicht. Eine Weiterbildung für den sinnvollen Einsatz im Unterricht wird jedoch frühestens 2004 auf die Beine gestellt.
Die Informatikverantwortlichen fordern unterdessen eine obligatorische Informatikweiterbildung und dass weniger Schulzimmer mit Computern ausgerüstet werden. Dafür sollen in den Räumen, in denen die Computer mit Internetanschluss installiert werden, Geräte für alle Schüler vorhanden sein.
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BeatDoebeli - 29 Sep 2003