In Blanchard wird darauf hingewiesen, dass die tatsächlichen Löhne typischerweise über dem Reservationslohn liegen. Der letztere ist jener Lohn, bei dem der Arbeitsanbieter indifferent ist zwischen Arbeiten und Nicht-Arbeiten, oder anders: der ihn gerade noch zum Arbeiten bewegt. In der traditionellen Theorie des Arbeitsmarktes bestimmt er das am Markt sichtbar werdende Arbeitsangebot: zu einem bestimmten Lohnsatz bieten all jene ihre Arbeitskraft an, deren Reservationslohn unter oder genau bei diesem Lohnsatz liegt. Auf der anderen Marktseite gibt es eine vom Lohnsatz abhängige Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften. Durch das Zusammenspiel von Arbeitangebot und –nachfrage, genauer: am Schnittpunkt dieser beiden Funktionen ergibt sich der Gleichgewichtslohn, der langfristig auch realisiert wird. Die Effizienzlohntheorie zieht die Relevanz des so ermittelten Gleichgewichtslohnes in Zweifel: die Unternehmen selbst werden interessiert sein, einen höheren als den Gleichgewichtslohn zu bezahlen,und zwar aus folgenden Gründen: • Vermeidung von ‚Largieren’ (= shirking): würde nur der Gleichgewichtslohn gezahlt, hätte der Arbeiter keinen Anreiz, sich anzustrengen. Wird er beim Largieren erwischt, muss er zwar mit Entlassung rechnen, diese wäre aber keine sehr gravierende Angelegenheit: er kann zum selben Lohn annahmegemäß eine andere Stelle finden. Um einen Anreiz für die Arbeiter zu setzen, wird ein Unternehmen den Lohn hinaufsetzen. Dann muss der Arbeiter bei Entlassung damit rechnen, dass er nur einen schlechter bezahlten Job findet und wird sich somit im aktuellen Job anstrengen. Wenn alle Firmen ihre Löhne über den Gleichgewichtslohn anheben, entfällt zwar der Anreiz über das Lohngefälle, aber der nun allgemein über dem Gleichgewicht liegende Lohn impliziert, dass Arbeitslosigkeit entsteht. Largieren ist auch in dieser Situation gefährlich. Wird der Arbeiter ertappt und entlassen, muss er durch eine Phase der Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosigkeit wirkt dann also als Anreizmechanismus sich anzustrengen. • Reduktion der Arbeitskräftefluktuation: wenn die Arbeiter einen überdurchschnittlichen Lohn erhalten, wird die Fluktuation gesenkt und die damit für das Unternehmen verbundenen Kosten reduziert. Lesen Sie dazu den interessanten ‚Focus: Henry Ford and Efficiency Wages’ in Blanchard, Seite 113. • Qualität der Belegschaft: aus vielen Studien ist bekannt, dass bei Lohnsenkung typischerweise zuerst die besten Arbeitskräfte das Unternehmen verlassen bzw. dass umgekehrt durch einen über dem Gleichgewichtslohn liegenden Lohn somit eine höhere Qualität der Belegschaft erreicht werden kann.
-- MartinKronenberg - 12 Feb 2003